Frau Franco Ramirez, was hat Ihr Interesse an den Ingenieurwissenschaften geweckt?
Meine Begeisterung für die Ingenieurwissenschaften wurde maßgeblich durch meine Neigung zum analytischen Denken, Mathematik, Physik und Chemie geweckt. In dieser Disziplin finde ich die Möglichkeit, reale Herausforderungen nicht nur zu bewältigen, sondern auch durch kreative Lösungsansätze zu gestalten. Der ständige Innovationscharakter der Ingenieurwissenschaften fasziniert mich besonders, sei es durch die fortlaufende Verbesserung bestehender Technologien oder die Erschaffung völlig neuer Lösungen, die einen nachhaltigen Einfluss auf unseren Alltag ausüben können.
Sind Frauen im Studium des Chemieingenieurwesens immer noch in der Minderheit?
Ich hatte das Glück hatte, dass sowohl in Kolumbien als auch in Deutschland der Anteil von Frauen in der Ingenieurwissenschaften hoch war. Tatsächlich waren in Kolumbien sogar die Frauen in diesem Studiengang in der Mehrheit.
Glauben Sie, dass man als Frau mehr Leistung für ähnliche oder die gleichen Noten erbringen muss?
Ich glaube, dass Frauen sich leider mehr anstrengen müssen, um Anerkennung und Erfolge zu erlangen. Doch ich spüre, dass in Deutschland in diesem Bereich bessere Fortschritte gemacht wurden als in Lateinamerika. Das war einer der Gründe, warum ich davon geträumt habe, hier zu arbeiten.
Wie sind Sie auf thyssenkrupp bzw. "Polysius" aufmerksam geworden?
Nach einem Jahr in Deutschland stand die Verfassung meiner Abschlussarbeit an und ich hatte den Wunsch, diese in einem Unternehmen zu schreiben. Während eines Treffens mit Freunden berichtete einer von ihnen von einer Person, die als Chemieingenieur in einem Aufzugsunternehmen tätig ist. Anfangs war ich unsicher, wie ich als Chemieingenieurin meine Abschlussarbeit in einem Aufzugsunternehmen umsetzen könnte. Später stellte sich jedoch heraus, dass das Unternehmen nicht nur Aufzüge im Portfolio hatte, sondern auch in anderen Bereichen, wie zum Beispiel dem Großanlagenbau, tätig war. Trotz meiner anfänglichen Bedenken half mir die Person, eine Verbindung zu Polysius herzustellen.
Und heute? Können Sie beschreiben, wie ein typischer Arbeitstag bei Ihnen aussieht? Was sind Ihre konkreten Aufgaben?
Meine Arbeit bei Polysius ist außergewöhnlich vielfältig und das ist etwas, das ich sehr genieße. Oftmals führe ich Experimente im Vorwärmer oder im Drehrohrofen durch, was oft Schweiß und ab und zu Hämmern mit sich bringt und am Ende bin ich von Materialien bis in die Haare bedeckt.
An diesen Tagen ist die Aktivität intensiv und die Fähigkeit, Probleme schnell zu lösen, ist von entscheidender Bedeutung. Nach dem geschäftigen Treiben kommt die Ruhe, in der ich die Ergebnisse der Experimente analysiere und Berichte für unsere Kunden erstelle.
Darüber hinaus erstelle ich Angebote für Kunden, führe Gespräche mit ihnen über laufende Experimente oder Projekte. Ich nehme auch an Meetings teil, die das Ziel haben, unsere Anlagen im Technikum anzupassen oder neue Projekte zu entwickeln. Ab und zu genieße ich ein Stück Kuchen mit Arbeitskolleg:innen in der Frühstückspause.
Welche Erfahrungen haben Sie bereits in der Zementbranche sammeln können?
Seit Beginn meiner Tätigkeit als Studentin habe ich mich auf den Bereich Forschung und Entwicklung konzentriert. Ich habe an verschiedenen Projekten gearbeitet, darunter Betonrecycling, die Karbonatisierung von Zementpaste, die Entwicklung eines Auslegungstests zur Zementmahlungssimulation und die Aktivierung von Ton. Während dieser Zeit konnte ich verschiedene Anlagen bedienen, sowohl im Bereich der Mahltechnik als auch momentan im Bereich der Wärmetechnik. Zusätzlich hatte ich die Möglichkeit, bei der Inbetriebnahme einer Anlage in Mexiko mitzuwirken.
Die Sichtbarkeit erfolgreicher Frauen in leitenden Positionen im Bereich der Ingenieurwissenschaften innerhalb der Firma ist wichtig. Dies könnte Frauen dazu ermutigen, ihre eigene Erfolgsaussicht in diesem Umfeld zu erkennen und anzustreben und kann dazu beitragen, die leider noch in vielen Fällen präsenten Stereotypen über die Rolle der Frauen im Arbeitsumfeld aufzubrechen.
Isabella Franco Ramirez, Chemieingenieurin thyssenkrupp Polysius
Was müsste geschehen, um mehr Frauen für Polysius und die Ingenieurwissenschaften zu begeistern?
Die Sichtbarkeit erfolgreicher Frauen in leitenden Positionen im Bereich der Ingenieurwissenschaften innerhalb der Firma ist wichtig. Dies könnte Frauen dazu ermutigen, ihre eigene Erfolgsaussicht in diesem Umfeld zu erkennen und anzustreben und kann dazu beitragen, die leider noch in vielen Fällen präsenten Stereotypen über die Rolle der Frauen im Arbeitsumfeld aufzubrechen.
Etliche Studierende der FH Münster haben den Weg zu thyssenkrupp Polysius gefunden. Sie sind nicht ganz unbeteiligt an dieser erfreulichen Entwicklung. Stimmt das?
Ja, das kann man so sagen (lacht). Als ich in das Unternehmen eintrat, gab es nur sehr wenige Studenten, alle waren Dualstudenten; ich war die einzige „Externe“. Von Anfang an faszinierte mich das Arbeitsumfeld und ich wünschte mir, bei thyssenkrupp Polysius nach der Abgabe der Bachelorarbeit zu bleiben, um zum Projekt weiter beizutragen, während ich mein Masterstudium absolvierte. Ich war unsicher, ob es möglich war, Arbeit und Studium zu vereinen, aber ich ermutigte mich immer wieder, nachzufragen. Schließlich ergab sich die Gelegenheit als Werkstudent, obwohl der Vertrag zunächst nur für sechs Monate galt. Bei jeder Verlängerung war ich besorgt, ob eine Verlängerung möglich wäre, aber das stetige Fragen hat sich voll gelohnt und hat eine Tür für meine berufliche Entwicklung geöffnet.
In einem Gespräch wies ich den Leiter der Forschung und Entwicklung auf die Vorteile einer Verlängerung des Vertrags auf ein Jahr hin, insbesondere in Hinblick auf meine Aufenthaltsgenehmigung - und so wurde es umgesetzt. Mein Werdegang zog viele Studierende an und ich wurde zum Role Model für andere Studierende der FH Münster, die während des Studiums bereits wertvolle Berufserfahrung sammeln und ihre Chancen auf einen guten ersten Job steigern möchten. Mein Universitätsprofessor wandte sich oft an mich, wenn Studierende Praktika absolvieren wollten, was dazu führte, dass in letzter Zeit die meisten von der FH Münster stammten. Außerdem habe ich auch Freunde ermutigt, in der Firma zu arbeiten. Diese enge Zusammenarbeit zwischen die FH Münster und thyssenkrupp Polysius hat zu einem wertvollen Austausch geführt. Die Studierenden leisten heute einen wichtigen Beitrag in unterschiedlichen Unternehmensprojekten.
Zum Schluss noch etwas Privates. Wie verbringen Sie Ihre Freizeit?
In meiner Freizeit unternehme ich gerne viele Aktivitäten. Ich gehe gerne ins Fitnessstudio, lese, höre Musik, tanze und verbringe Zeit mit meinem Mann und Freunden. Ich bin ein großer Fan des Reisens. Ich schmiede ständig Pläne für meine nächste Reise und selbst wenn sie bereits feststeht, überlege ich schon, was als Nächstes kommen könnte. Ich genieße es, neue Menschen und andere Kulturen kennenzulernen und neue Landschaften zu entdecken.