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Let’s talk:
Wie Digitalisierung zu mehr Effizienz, höherer Rentabilität und besserer Nachhaltigkeit führt

Digitalisierung und klimaneutrale Produktion zählen zu den wichtigen Innovations- und Wachstumstreibern in der Zementindustrie. Welchen Ansatz verfolgt thyssenkrupp, wenn es um die Digitalisierung der Zementproduktion geht?

Wir sehen die Digitalisierung als ein Mittel, um unser Fachwissen in unsere Produkte einfließen zu lassen und damit unseren Kunden einen Mehrwert zu bieten. Das kann bedeuten, dass wir im Rahmen des Fernsupports digitale Technologien einsetzen, um einen Kunden mit einem bestimmten Problem so schnell wie möglich mit unseren Experten in Verbindung zu setzen. In diesem Fall besteht der Mehrwert für den Kunden in einer erhöhten Anlagenverfügbarkeit. Wenn es darum geht, den Betrieb einer Anlage zu optimieren, kann Digitalisierung bedeuten, dass intelligente Steuerungen eingesetzt werden, um den Durchsatz und die Energieeffizienz zu verbessern. In diesem Fall fließen unser Fachwissen und unsere umfangreiche Erfahrung in die Entwicklung einer intelligenten Steuerung ein.

thyssenkrupp Cement Technologies bietet ein Portfolio an digitalen Werkzeugen und Dienstleistungen, die darauf ausgerichtet sind, die Effizienz der Zementwerke unserer Kunden zu steigern und die Herausforderungen zu bewältigen, denen sie sich heute und in Zukunft stellen müssen. In vielen Fällen ermöglichen die Ferninbetriebnahme oder die Fernüberwachung des Anlagenzustands, dass das Fachwissen und die Erfahrung unserer Spezialisten den Kunden überall auf der Welt zur Verfügung gestellt werden können, ohne dass kostspielige und zeitaufwändige Reisen erforderlich sind.

Was unterscheidet die polysius® Digital Solutions von thyssenkrupp von anderen digitalen Produkten für die Zementindustrie?

Unsere digitalen Lösungen stützen sich auf einen unvergleichlichen Erfahrungsschatz und umfassendes Fachwissen in der Zementproduktionstechnologie. Als Anbieter von Lösungen für den gesamten Zementproduktionsprozess hat thyssenkrupp einen ganzheitlichen Vorsprung gegenüber Unternehmen, die Lösungen für einzelne Prozessschritte anbieten. Darüber hinaus verfügt thyssenkrupp über jahrelange Erfahrung mit digitalen Werkzeugen und deren Einsatz in den unterschiedlichsten Anwendungsfällen. Anders ausgedrückt, der Mehrwert, der durch polysius® Digital Solutions generiert wird, ergibt sich aus der einzigartigen Kombination von fundiertem technischen Know-how und Routine im Umgang mit den Möglichkeiten und Potenzialen der Digitalisierung.

Der Mehrwert, der durch polysius® Digital Solutions generiert wird, ergibt sich aus der einzigartigen Kombination von fundiertem technischen Know-how und Routine im Umgang mit den Möglichkeiten und Potenzialen der Digitalisierung.

Dr. Justin Bisping, Head of Digitalization

Lassen Sie uns konkreter werden. Wo sehen Sie Ansatzpunkte für die Digitalisierung in der Zementproduktion?

Ich sehe Ansatzpunkte beim Remote-Service: Hat ein Kunde ein Problem, wird ihm schnell von einem unserer Experten geholfen, ohne dass eine zeitraubende Reise erforderlich ist.

Dass wir große Mengen an Daten erfassen und sie verfügbar machen, mag banal klingen, ist es aber keineswegs. Denn es werden nicht einfach zusätzliche Sensoren installiert und beliebige Informationen aufgezeichnet. Die Datenerfassung wird strukturiert durchgeführt und erfordert auch Fachwissen über die mechanische Ausrüstung und den Prozess. Außerdem ist es sehr hilfreich, sich einen Anwendungsfall für die Daten zu vergegenwärtigen. Soll zum Beispiel der mechanische Zustand eines Mahlaggregats fernüberwacht werden, muss man die Maschine genau kennen, um das Datenerfassungssystem so auszulegen, dass es wirklich nützlich ist. Zudem muss es möglich sein, die Daten zu ordnen, sie sicher zu speichern und die Informationen verfügbar zu machen. Mit der Bereitstellung von Informationen meine ich nicht nur den Zugang zu den Rohdaten, sondern auch die Zusammenstellung der darin enthaltenen relevanten Informationen.

Beides – Remote-Service und Datenerfassung – praktizieren wir schon seit geraumer Zeit, und wir verfügen über die nötige Erfahrung und die Technologien.

Wie stellen Sie sich die konkrete Umsetzung vor? Welchen Herausforderungen muss sich der Anlagenbetreiber stellen? Und wie können Sie ihn bei der digitalen Transformation unterstützen?

Ich denke, dass das Thema Digitalisierung für viele Zementproduzenten recht abstrakt ist. Nur wenige haben eine Vorstellung davon, was möglich wäre, welche Lösungen sich bewährt haben und welche noch in der Entwicklung sind.

Daher ist es zunächst einmal wichtig, die Ziele eines Kunden zu verstehen. Mit diesem Verständnis können wir bestehende Lösungsmodule und auch Entwicklungsfunktionen auswählen und zu einem Gesamtkonzept zusammenstellen, das gut zu dem Kunden passt.

Deshalb ist ein ausführlicher Dialog mit dem jeweiligen Kunden eine wichtige Voraussetzung, um die bestmögliche Lösung und den besten Umsetzungsweg vorzuschlagen. Bei einfachen Anforderungen an die Zustandsüberwachung erfordert dies nicht viel Arbeit. Bei komplexeren Prozessoptimierungszielen sind typische Bestandteile dieses Prozesses eine Auswertung von Fließbildern der betreffenden Anlage, die Analyse historischer Daten (sofern vorhanden), eine Bestandsaufnahme der vorhandenen Automatisierung und Instrumentierung sowie gegebenenfalls ein Audit der Anlage vor Ort durch die Spezialisten von thyssenkrupp. Sind die Potenziale auf diese Weise ermittelt, kann ein Stufenplan erstellt werden.

Die Grundvoraussetzung ist die Erfassung und detaillierte Bereitstellung der Daten, richtig?

In vielen Fällen ja, aber nicht in allen. Wir haben digitale Lösungen, die nicht zwangsläufig eine Datenerfassung voraussetzen. Die unter polysius® connect zusammengefassten Lösungen, im wesentlichen Lösungen zur Remoteunterstützung, setzen dies nicht zwingend voraus, hilfreich ist es hier jedoch auch.

Für die meisten Anwendungsfälle ist die Datenerfassung und -bereitstellung jedoch der erste konkrete Schritt auf dem Weg der Digitalisierung. Dafür haben wir mit unserer edge technology, bestehend aus dem Local Analyze Interface – LAI und der tk cloud bewährte Lösungen im Portfolio. Abhängig von der konkreten Aufgabenstellung definieren wir die dafür notwendige Datenerfassung. Das können Daten bereits bestehender Instrumentierung sein, d. h. in dem Falle wären keine zusätzlichen Sensorinstallationen notwendig, oder Daten von extra für den Anwendungsfall installierter Sensorik. Übrigens, sollte zusätzliche Sensorik notwendig sein, kümmern wir uns auch um die Installation.

Unsere Edge Technologie besitzt die notwendige Flexibilität, die Informationen von den verschiedensten Datenquellen an einer Stelle zu sammeln, bereitzustellen und bei Bedarf zu komprimieren und zu analysieren. Dies erfolgt idealerweise in der cloud, allerdings können einige Anwendungen auch lokal erfolgen, falls dies vom Kunden bevorzugt wird.

Und wie sieht das nächste Level aus?

Das nächste Level steht ganz im Zeichen der Nutzbarmachen von Daten. Dabei gibt es keine generelle Antwort, vielmehr ist diese von den individuellen Bedürfnissen des Kunden abhängig. Grundsätzlich lässt sich sagen, dass die Maßnahmen darauf abzielen, die Margen unserer Kunden zu erhöhen. Das können Lösungen sein, die die Verfügbarkeit der Anlage erhöhen, ungeplanten Stillstand reduzieren, den Energiebedarf reduzieren, den Durchsatz erhöhen, die Problemlösungen vereinfachen oder alles davon gleichzeitig.

In einem ersten Schritt ist es oftmals sehr hilfreich, wenn Daten umfangreich vorliegen, einfach abrufbar sind und bereits vorverdichtet wurden, z. B. in Form von Statistiken oder Trends. Dies lässt die Betreiber ein tieferes Verständnis für ihre Anlage entwickeln und damit ihren Betrieb optimieren. Im Falle von Problemen gestattet dies unseren Experten, sehr schnell einen guten Überblick über die Situation zu bekommen und zielgerichtet zu unterstützen. Ausfallzeiten können so minimiert werden. Außerdem spart es Kosten, da weniger vor Ort unterstützt werden muss.

Ein weiterer Schritt kann das Condition Monitoring sein. Dabei nutzen wir unser Detailwissen über die Maschinen, Anlagen und Prozesse und installieren eine dazu passende, zielgerichtete Datenerfassung. Die dabei gesammelten Informationen fassen wir turnusmäßig zusammen und lassen sie - falls erforderlich - durch unsere Experten bewerten und beraten. Damit erhält der Kunde nicht nur unser Equipment, sondern auch unser Fachwissen. Das Condition Monitoring kann dabei sowohl auf den Prozess als auch auf die Mechanik abzielen. Hier ist es ebenfalls möglich, dass wir aktiv den Kunden auf Veränderungen hinweisen, die seine Aufmerksamkeit erfordern, um beispielsweise sich anbahnende Schäden zu vermeiden oder geplant zu beheben, um so nicht geplante Stillstände zu vermeiden.

Mit Ihren digitalen Lösungen wollen Sie weit über die laufende Zustandsüberwachung eines Zementwerks hinausgehen. An welche Möglichkeiten denken Sie?

Ja, es geht nicht nur um Condition Monitoring. Es gibt weitere Möglichkeiten! Beispielsweise denke ich dabei an intelligente Regler, die in Echtzeit optimieren können. Das können Expertensysteme oder AI basierte Systeme sein, die einen effizienteren Betrieb ermöglichen oder eine Überlastung des Equipments verhindern und damit auf die Anlagenverfügbarkeit abzielen.

Ein weiteres Beispiel wäre die intelligente Produktionsplanung, mit der sich im Falle volatiler Strompreise ein strompreisoptimierter Mühlenbetrieb planen lässt.

Predictive Operation ist für uns ein wirklich großer Schritt.

Sie nennen den vorausschauenden Betrieb einer Anlage einen großen Schritt. Was genau meinen Sie damit?

Wäre es nicht nützlich, im Voraus zu wissen, wie die Produktqualität aussehen wird? Ein vorausschauender Betrieb könnte dies möglich machen.

Mit unserem Laborautomationssystem polab® Cal können wir eine Aussage über die Produktqualität treffen. Für sich genommen wäre das nicht neu. Neu ist, dass wir das automatisiert machen können und mit einer sehr viel höheren Geschwindigkeit als es herkömmliche Analyseverfahren gestatten. Eine umfassende Beschreibung würde den Rahmen dieses Interviews sprengen und ich verweise daher auf unsere verschiedenen Veröffentlichungen zu diesem Thema.

In Kurzform ist es jedoch interessant zu wissen, dass wir für die automatisierte Analyse die Reaktivität der Klinker- oder Zementproben betrachten. Genauer betrachten wir den ersten Peak der Energiefreisetzung, was es uns gestattet, automatisiert in einem Zeitraum von rund 20 bis 40 Minuten eine Aussage über die Produktqualität zu erhalten. Das ist schnell genug, um polab® Cal als Informationsquelle in einen intelligenten Regelkreis zu verwenden. Die klassischen Druckfestigkeitsprüfungen, deren Ergebnisse üblicherweise nach einem bis 28 Tagen vorliegen, sind dafür viel zu langsam.

Erstmals steht uns so die Produktqualität als Regelgröße zur Verfügung und die Prozessparameter lassen sich daraufhin gezielt beeinflussen.

Übrigens, das polab® Cal kann natürlich auch ohne die Einbindung in ein Regelsystem als eigenständige Laborautomation sehr sinnvoll genutzt werden.

Können Sie anhand eines Beispiels den konkreten Nutzen digitalisierter Lösungen für den Kunden verdeutlichen?

Zusammengefasst geht es eigentlich immer um eine Effizienzsteigerung beim Kunden. Das kann im einfachen Fall eine verbesserte Datentransparenz sein, wodurch der Kunde seine Anlage besser betreiben kann oder die es unseren Experten gestattet, Probleme des Kunden schnell und günstig zu beheben. Das kann Condition Monitoring sein, um unser Expertenwissen laufend dem Kunden als Dienstleistung zur Verfügung zu stellen, was auf die Effizienz der Produktion und die Verfügbarkeit abzielt. Oder intelligente Regelsysteme die in Echtzeit die Produktionseffizienz steigern, den Durchsatz erhöhen oder Überlastungen des Equipments verhindern.

Um ein konkretes Beispiel zu nennen: Nehmen sie das Aufheizen eines Drehrohrofens. Dieser Vorgang erfordert einige Zeit und bei einem zu schnellen Aufheizen besteht immer die Gefahr, dass die Laufringe des Ofens durch thermisch induzierte Spannungen geschädigt werden. Die Folge sind aufwändige, teure Reparaturen, Ausfallzeiten und unter Umständen längere Wartezeiten auf Ersatzteile. Um dies zu verhindern, ist ein Teil unseres Konzeptes für das Condition Monitoring eines Ofens die Überwachung des Temperaturgradienten der Laufringe. Dies ermöglicht es, das Aufheizen gezielt innerhalb der Auslegungsgrenzen durchzuführen und das Schadensrisiko zu minimieren.

Herr Bisping, lassen Sie uns einen Blick in die Zukunft werfen. Was ist Ihre Vision einer digitalisierten Zementindustrie?

In der Zementindustrie sind Digitalisierung und Automatisierung unabdingbar, um die notwendigen Effizienzsteigerungen für unsere Kunden zu ermöglichen. Effizienz ist in vielerlei Hinsicht entscheidend. Einerseits wird dadurch natürlich die Amortisation neuer und früherer Investitionen verbessert. Andererseits trägt sie dazu bei, den ständig wachsenden Anforderungen an die Nachhaltigkeit gerecht zu werden, indem sie die Transparenz und Flexibilität der Anlagen erhöht. Durch die stetige Einführung neuer digitaler Lösungen für die von uns angebotenen Maschinen und Prozesse steigern wir auch kontinuierlich die Effizienz – von einfachen Datenanalysen bis hin zu KI-Lösungen oder automatisierter Qualitätskontrolle in nahezu Echtzeit. Die intelligente Analyse von immer mehr Datenpunkten über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg wird für alle Beteiligten der gemeinsame Weg in die Zukunft der Zementindustrie sein. Das Ende dieses Weges – wenn er denn ein Ende hat – ist noch nicht abzusehen, aber die Digitalisierung wird zunehmend als wichtiges Element zum laufenden Wandel der Geschäftsmodelle in der Zementwertschöpfungskette beitragen.